Neubulach

Marienkirche und Jodokuskirche

Die Stadtkirche trug ursprünglich die Namen „Marienkirche“ und „Jodokuskirche“. Die Kirche wurde in den vergangenen sieben Jahrhunderten immer wieder erneuert und bis in unsere Zeit erhalten. Die wichtigsten Abschnitte der Baugeschichte kann man beim Blick auf das äußere Erscheinungsbild der Kirche gut erkennen: Der gedrungene Turm, der hohe Chor und das lange, niedrige Schiff stehen in einer deutlichen Spannung zueinander und bilden doch ein gewachsenes Gesamtbauwerk.

Den ältesten Teil bildet der 36 m hohe romanische Turm. Er wurde kurz nach 1200 erbaut. Einige Schießscharten und eine Türe mit Rundbogen sechs Meter über dem Boden, die nur mit einer Leiter erreicht werden konnte, weisen darauf hin, dass er nahe bei der Stadtmauer in die Befestigung des Bergwerkstädtchens einbezogen war. Das gotische Tor zu ebener Erde wurde erst Jahrhunderte später in den Turm gebrochen.

Vor den Augen der Gemeinde steht das eindrucksvolle Altarkruzifix. Laut einer Inschrift wurde es 1648 von einer „Eleonora Gricklerin“, vielleicht der Frau oder Tochter eines Pfarrers aus dem Geschlecht der Grückler, gestiftet. 1648 war das Ende des 30-jährigen Krieges. Ob dieses Kreuz ein Dankeszeichen war? Hinter dem Kruzifix erscheint auf einem Gedächtnisfenster für die Gefallenen des Weltkriegs das Bild des auferstandenen Herrn Jesus Christus. Das Farbfenster stammt aus den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts. Beides gehört zusammen: der Gekreuzigte und Auferstandene. Weil er durch sein Wort und seinen Geist in allen Generationen gegenwärtig war, lebt die Gemeinde auch heute.

Das gotische Gotteshaus - Der hohe Chor

Um das Jahr 1430 entstand anstelle der zu dem alten Turm gehörenden kleineren romanischen Kirche ein großes, im gotischen Stil gebautes Gotteshaus, das dem seitherigen Turm angefügt wurde. Von dieser schönen Kirche blieb der Chorraum erhalten, der auch heute noch unsere Augen und Herzen nach oben zieht. Die Schlusssteine mit den Evangelistensymbolen des Lukas und Johannes erhielten zusammen mit ihrer Umgebung wieder die ursprünglichen Farben, die nur noch in schwachen Spuren zu erkennen waren.

Den vorderen Gewölbebogen auf der Seite der Sakristei trägt eine in Stein gehauene Männergestalt, die wahrscheinlich den Baumeister der Kirche oder den Bildhauer darstellt.

Wenn man sich vom Gemeindehaus her dem Chor mit den edlen Kreuzblumen nähert, muss man immer wieder staunen, dass damals in dem kleinen Städtchen ein so herrliches Bauwerk entstand, das auch einer großen Stadt zur Ehre gereichen würde. Zum hohen Chor gehörte ursprünglich gewiss ein ebenso hohes und festliches Kirchenschiff. Darauf weisen auf der Südseite außen die herausragenden Verbindungssteine hin.

Im Jahre 1505 fiel Bulach bis auf ein einziges Haus und Teile der Kirche einem verheerenden Brand zum Opfer. Der Turm und der Chor samt Sakristei wurden, Gott sei Dank, gerettet. Auch das herrliche Doppelportal in der Westwand, dessen Spitzbogen ein feiner Bogenkranz ziert, blieb erhalten. Eine ähnliche Verzierung findet sich übrigens über einer Nische im Chorraum, die einst als Priesterbank gedient haben mag.

Zunächst wurde das zerstörte Langhaus notdürftig hergestellt. Erst acht Jahrzehnte später um 1583 wurde es im heutigen Stil wieder aufgebaut. Es ist viel einfacher und niedriger als der zerstörte Kirchenraum.

Bei einer gründlichen Innenerneuerung um das Jahr 1950 erhielt das Tonnengewölbe eine Holzverkleidung, die sehr gut in unsere Schwarzwaldgegend passt und der Kirche eine warme Atmosphäre verleiht.

Anlässlich dieser Erneuerung schuf der heimische Bildhauer Albert Volz aus Altbulach (gest. 1994) den eindrucksvollen Altar. Die Engelwesen an seinen vier Ecken mit ihren himmlisch verklärten Gesichtern bilden einen krassen Gegensatz zu den verzerrten und verdrücken Köpfen, die als Konsolen das Chorgewölbe tragen müssen. Sie stellen böse Laster wie Neid, Hass und Eitelkeit dar.

Die guten Mächte, als Engelwesen dargestellt, welche vom Ort des Heiligen Abendmahls, vom Gebet und Gotteswort, vom ganzen gottesdienstlichen Geschehen am Altar ausgehen, besiegen die bösen Mächte und befreien uns von ihrem Bann. Das wird hier augenscheinlich verkündigt.

Grabplatten an der südlichen Wand des Chors weisen darauf hin, dass Bulach 400 Jahre lang Erbpfarrei der „Kirchherren“-Familie Grückler war. Von 1360 bis 1790 kamen alle Pfarrer aus dieser Familie, die zuerst in Effringen ansässig war und später nach Neubulach umzog, aber weiter auch für Effringen und andere Gemeinden der Umgebung zuständig blieb.Die Grückler müssen ein sehr kunstsinniges und wohlhabendes Geschlecht gewesen sein. Das beweist auch die Effringer Kirche, die manchmal „schönste Dorfkirche von Württemberg“ genannt wird. Die Grabplatten der Grückler-Pfarrer zeigen unter anderem das Wappen mit den gekreuzten Hämmern. Sie hatten also auch Anteil am Silberbergwerk, dem Bulach seine Entstehung verdankt.

Die einmalig schönen Kreuzblumen auf den Strebepfeilern des Chors, die im Lauf von 500 Jahren und besonders in unserer Zeit unter den Umwelteinflüssen gelitten haben, wurden vor 30 Jahren bei einer Außenerneuerung restauriert. Zwei gut erhaltene Originale haben an geschütztem Platz unter der Empore im Innern der Kirche einen neuen Platz gefunden.

Text: Dekan Adolf Götz

Hermann Hornbacher, ursprünglich aus Oberhaugstett, hat die Kirche in Neubulach zu Beginn der 50er Jahre unter Pfr. Rohleder gründlich renoviert.